Sommerfrischler in Woord
Touristen gab es vor über 50 Jahren noch nicht
Die erste Pension für Urlaubsgäste führte Friedrich Werner aus Hinnewernersch. Wann er damit begann ist nicht bekannt. Vielleicht gibt es auch einen Zusammenhang mit der damaligen Entwicklung: Im November 1933 gründete sich die nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude, deren Ableger, das „Amt für Reisen, Wandern und Urlaub“, damals der größte deutsche Reisanbieter war. Eventuell konnte auch Friedrich darüber Gäste für seine Pension gewinnen. Diese kamen oft mit der Bahn über Boppard nach Bell, wo Friedrich sie in Empfang nahm und mit seiner Pferdekutsche nach Wohnroth brachte. 1936 wird von besonderen Gästen, den Fußballerspielern Felix Zwolanowski und Theo Breuer der Fortuna aus Düsseldorf, berichtet. Beide spielten 1933 in der Meistermannschaft und auch in der Nationalelf mit. Viele Jahre empfing die Familie Werner weitere Gäste, auch die beiden Fußballer kamen immer wieder bis 1949. Dann gab Friedrich Werner aus familiären Gründen die Pension auf. Die beiden Fussballer blieben dem Hunsrück weiterhin treu und besuchten immer wieder das Gasthaus Karbach in Bell, Felix sogar bis zu deren Schließung 1992. Ganz treue Gäste an Hinnewernersch und später im Gasthaus Leonhard war auch die Familie Manczak, bekannt als kleiner Mann und große Frau.
Lange Jahre dauerte es nun bis wieder erste Gäste kamen, es hatte sich noch keiner im Dorf auf Urlauber eingerichtet.
Erst 1961 konnte das Gasthaus Leonhard (Louxe) die ersten Sommerfrischler begrüßen. 1962 kam Familie Peter Richterich, die in Bell keine Unterkunft fand und bei uns im Dorf strandete. Willi Leonhard richtete dann mangels weiterer Gästebetten das eigene Zimmer für die neuen Gäste ein. Im Sog zufriedener Urlauber kamen immer mehr, aus Düsseldorf, Köln, Düren, Aachen Krefeld usw. in den Ferienmonaten ins Dorf. Die Zimmerausstattung war einfach, meist nur ein Waschbecken mit Kaltwasser. Ein Gemeinschaftsbad mit Toilette auf der Etage stand allen Gästen zur Verfügung, die Urlauber waren recht bescheiden. Stattdessen konnten sich die Gäste an Louxe auf vier reichhaltige Mahlzeiten freuen und das zu DM 9,50 inclusive Übernachtung. Viele Zutaten der Küche stammten aus der eigenen Landwirtschaft. Weitere im Dorf wie die Familien Block, Kleinschrodt, Weckmüller und Weishaupt richteten Zimmer her und empfingen ebenfalls Sommergäste. Zu Spitzenzeiten reichte auch diese Bettenanzahl nicht mehr aus. Kurzerhand wurden auch in anderen Häusern Zimmer frei gemacht. Man war flexibel, an Dunnewernersch schlief die Tochter dann auf dem Speicher, der Sohn bei der Oma. Waren die Gäste dann außer Hause, durften die Kinder mal kurz an ihren Kleiderschrank. An Hinnewernersch verbrachte der Sohn Richard im Sommer die Nächte in der Bosselstuh.
In den Jahren ab 1960 entstanden im Dorf auch viele Neubauten. Um den Fremdenverkehr zu unterstützen, gab es für den Einbau von Waschbecken in den Zimmern einen Zuschuss.
Einige Gäste kamen über viele Jahre und Freundschaften wurden geschlossen, auch sind welche für immer hängengeblieben.
1970 war für uns ein besonderes Jahr. Das Gasthaus zur Post hatte sieben Betten und die anderen Pensionen zusammenweitere 15 Betten. Es gab 132 Fremdenmeldungen mit insgesamt 1980 Übernachtungen. Dies ist für ein Dorf mit 160 Einwohnern schon besonders. Manchmal hatte es den Eindruck auf jeden Eingeborenen kommt ein Sommerfrischler. Viele Ansichtskarten aus dieser Zeit sind uns als Erinnerung geblieben.
Das war allerdings nicht von langer Dauer. Ab 1974 spürten wir schon einen merklichen Rückgang, Meer und Berge konnten die Urlauber nun eher begeistern. So nach und nach schließen die Pensionen. Anfang der 1990er Jahre war Sommerfrische im Dorf weitgehend zur Geschichte geworden. Nur Lydia Kleinschrodt begrüßte noch einige wenige Stammgäste bis Anfang der 2000er Jahre in ihrer kleinen Pension.