Gutachten zum Ortsnamen
Wie sich ein Name entwickelt
Die Entstehungsgeschichte unseres Ortsnamen hat schon viele Generationen beschäftigt. Ausgehend von der ersten urkundlichen Erwähnung von 1403 mit „Wainrait“ folgten verschiedene Abwandlungen bis zum heutigen Wohnroth. Für eine wissenschaftliche Analyse konnten wir Herrn Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs von der Universität Saarbrücken gewinnen. Seine nachfolgenden Recherchen geben uns nun eine detaillierte Erläuterung zum Werdegang des Namens.
Zur mundartlichen Form findet sich in einer Niederschrift von 1755 die Schreibweise „Wohrt“. Es hat sich also auch dies über die Zeit verändert. Seid wann wir nun „Woord“ schreiben ist nicht bekannt. Hedwig Michel aus Perersch erinnert sich noch an ihre Jugendzeit in den 1930-er Jahren, sie hat schon damals "Woord" geschrieben. Der Schlachtruf der Mastershausener an unserer Kirmes lautete: "Wäm gehert die Kereb, uus un der Wuurder!" Typisch ist hier für die Mastershausener Verwendung des Doppel-u, aber das sei ihnen verziehen. Festgehalten hatte Kurt Knebel diesen Ausspruch in seinen Aufzeichnugen zur Dorfkirmes
Es gab vor einigen Jahrzehnten rnochmals rege Diskussionen wie die Schreibweise wohl richtig wäre. Bekannt ist uns vom Feuerwehrfest 1997 der Spruch „Woord, die tun was“. Die Maihexen hatten 2005 mit dieser Namensform erst die Möglichkeit zu „Hollywoord“ gehabt. Also bleiben wir dabei.
WOHNROTH – Siedlung und Name
Im regional einschlägigen Ortsnamenbuch von Wolfgang Jungandreas, Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes ist Wohnroth (Ortsgemeinde Bell, bei Kastellaun, Rheinland-Pfalz) nicht behandelt. Nach L. Armbrust, Hunsrücker Ortsnamen in den Kreisen Simmern und Zell, Bonn 1897, S. 19 und Mitteilungen von Herrn Ulrich Knebel (Wohnroth) sind die überlieferten historischen Formen des Ortsnamens (Toponyms) Wohnroth folgende:
1403 Wainrait
1438 Wonrat
1531 Wonrot
1560 Worrath
1662 Wanerodt
1740 Wohnroth
1755 Wohrt
1760 Wonroth
1798 Wonrod
ab 1803 Wohnroth
mundartliche Form (nach dem entsprechenden Wikipedia-Artikel): "Woord"
Der genannte Wikipedia-Artikel (14.6.2024) gibt noch zusätzlich an, dass W. auch im 'Liber annalium' (um 1200), einer Art Urbar (Besitz- und Einnahmenverzeichnis) der Trierer Kirche, verzeichnet sei. In der Edition des Urbars durch Heinrich Beyer / Leopold Eltester /Adam Goerz, Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, Bd. 2, Coblenz 1865, S. 391-428, war W. nicht aufzufinden. Doch könnte sich der Verfasser des Artikels an der Nennung von Roda ('Rodung') in der Umgebung von Mastershausen, Buch, Mörsdorf, Sabershausen, Lieg (bei Treis) und Dommershausen (alle in der Nähe von Kastellaun) im zum 'Liber annalium' gehörigen Verzeichnis der capelle decanie in Kemtam, der Kapellen/Filialkirchen des Dekanats Kaimt (an der Mosel bei Zell) orientiert haben. Wirklich gesichert ist diese Identifikation aber wegen der fehlenden Nennung des Erstelements Wan(e)- bisher nicht.
Als Urform des Ortsnamens ist nach den ältesten Belegen *Wânen-rad zu rekonstruieren (ähnlich bereits L. Armbrust), zusammengesetzt aus dem gut belegten Personennamen Wâno 'der Hoffende, Glaubende', Genetiv Wânen (vgl. noch im heutigen Deutsch Hahn, althochdeutsch (ahd.) hano, im älteren Deutsch mit Gen. des Hahnen, ahd. hanen; Bär, ahd. bero, Gen. des Bären; Bote, ahd. boto, Gen. des Boten usw.) zum althochdeutschen Substantiv wân (mit langem -â-) 'Erwartung, Hoffnung, Glaube' (vgl. Henning Kaufmann, Ergänzungsband zu Ernst Förstemann, Personennamen, München/Hildesheim 1968, S. 384; Friedrich Kluge / Elmar Seebold, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 25. Aufl., Berlin 2011, S. 967) + mittelhochdeutsch (mhd.) râd 'Rodung', (auf dem Hunsrück häufige) Nebenform zu mhd. rod 'Rodung' (Kluge/Seebold, S. 770; Deutsches Ortsnamenbuch, hg. v. Manfred Niemeyer, Berlin 2012, S. 529). Die ursprüngliche Bedeutung des Ortsnamens W. war also 'Rodung, Rodungssiedling des Wâno'. Ein Rest des Genetivs auf -en findet sich noch 1662 (wohl nach einer älteren Vorlage) in der Form Wane-rodt; ansonsten trat beim Genetiv Wanen- in Ortsnamenformen ab dem 11. Jh. die frühmittelhochdeutsche Nebensilbenabschwächung ein, die zunächst zum Schwund des -n- und dann auch des unbetonten -e- führte. Die Form 1403 Wain-rait zeigt dann ein sogenanntes Dehnungs-i, wie es als Bezeichnung der Länge des vorhergehenden Vokals häufiger in den westmitteldeutschen Dialekten (Rheinfränkisch, Pfälzisch, Hessisch, Moselfränkisch, Ripuarisch um Köln) des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit vorkommt und sich etwa in Troisdorf (sprich: Troos-) bei Bonn bis heute erhalten hat). Diese Form bezeugt also, dass sowohl das Zweitelement (Grundwort) des Namens wie auch das Erstelement, der Personenname, ein langes [â] besaßen und damit für den Personennamen ähnliche Stämme mit kurzem Vokal nicht in Frage kommen.
Durch die in vielen westmitteldeutschen Dialekten vorkommende Verdumpfung von langem [â] zu [ô] (z.B. Straße, mhd. strâze, dialektal Stroos) kommt es zunächst im Erstelement zu den Formen 1438 Won-rat, 1531 Won-rot usw., ab der frühen Neuzeit auch im Grundwort zu den Formen -rot, -rod, -roth, womit der Wechsel zur oben bereits genannten Hauptform -rod 'Rodung' leicht wurde.
Die mundartliche Ortsnamenform Woord mit ihrer Assimilation von [nr] zu [r] und der späteren Synkopierung (Tilgung) des schwach betonten Endsilbenvokals -o- wird übrigens bereits in der Nebenform Worrath von 1560 vorbereitet. Die Form Wohrt von 1755 mit der Längebezeichnung des [ô] durch die Schreibung <oh> zeigt phonetisch bereits die mundartliche Form. Die formale, überwiegend in Urkunden gebrauchte Form Wonroth usw. wird amtlicherseits im 18. und frühen 19. Jahrhundert 'volksetymologisch' an das Verb wohnen angeschlossen und mit einem geschriebenen <h> aufgerüstet.
Die mit -rad bzw. -rod zusammengesetzten Namen setzt man ihrer Entstehungszeit nach allgemein vom 9. bis zum 11. Jh. an. Sie sind Zeugen eines auch im Hunsrück erfolgten landwirtschaftlichen Ausbauprozesses, einer Aufsiedlung, hier durch Rodung, die durch die Initiative einzelner Grundbesitzer/Waldbesitzer oder Prospektoren – diese im Auftrag größerer Institutionen – in Gang kam. Der Personenname Wano (fem. Wana) ist 768 im Elsass, 853 im Trierer Raum, 927 im kölnischen Rheinland und auch sonst, vor allem in Süddeutschland, gut belegt.
Prof. em. Dr. Wolfgang Haubrichs
Universität des Saarlandes, FR Germanistik
66041 Saarbrücken
27. Juni 2024