Festliche Bräuche
Familienfeiern in früheren Jahren
In unserer früheren dörflichen Gemeinschaft hatte das Miteinander noch einen hohen Stellenwert. Besonders bei Familienfeierlichkeiten wie Hochzeiten, Kindstaufen und Beerdigungen zeigte sich dies ganz besonders. Immer dann, wenn eine große Gästezahl erwartet wurde, trug jeder im Dorf dazu in Form von Spenden wie Eier und Milch bei. Dieser Brauch rührt noch von einer Zeit her, als die Armut groß war und viele sich solche Feiern kaum leisten konnten. Es war ein Geben und Nehmen, denn jeder hatte mal bei sich zu feiern. Bekocht wurden die Gäste von den Frauen meist aus der Nachbarschaft oder Bekanntenkreis, dies auch noch bis in die 1980-er Jahre.
Traditionell gab es mittags nach dem Kirchgang Markklöschensuppe, Sauerkraut, Bohnen, Kartoffelpüree, Fleisch und 3 Sorten Pudding, „weiß, schwarz und rot“ zum Nachtisch. Nach dem Kaffe und Kuchen wollte das liebe Vieh noch versorgt werden, um dann zum Abend Braten, Kartoffeln und Salat aufzutischen. Diese Feiern wurden ausgiebig gehalten und viel gegessen, um die mageren alltäglichen Zeiten zu vergessen.
Eine besondere Ausprägung der nachbarlichen Hilfe waren die Kindtaufen. Frauen, damals eher Weiber genannt, aus den 3 Häusern rechts und links vom Haus des Neugeborenen, kamen morgens vor dem Kirchgang schon zu Kaffee und Kuchen. Dabei wurden Path und Goth „gebürstet“, um Geld für sich einzusammeln. Auch so mancher Schnaps machte die Runde. Bei einer solchen feuchtfröhlichen Begebenheit soll, so wird erzählt, versehentlich das Kind vom Vorjahr eingewickelt und zur Kirche getragen worden sein.
Sorgfältig wurde dem Kind ein Kissen gemacht und gut eingepackt, um es dann so halb auf der Schulter zu tragen. Vor dem Kirchgang haben die Nachbarn noch einen Segen gesprochen und sind dann gemeinsam zu Fuß nach Bell zum Gottesdienst. Der letzte Täufling dieser Zeit (um 1950) war Gerd Schmidt. Er wurde von Martha Werner aus Junkersch getragen.
Bis zum Zeitpunkt der Taufe war es der Mutter des Neugeborenen nicht gestattet „über den Graben zu gehen“, was bedeutet, sie durfte den Hof nicht verlassen, es würde Unglück bringen. Mit der Taufe eines Kindes wurde früher auch nicht lange gewartet. Die Sterblichkeit war hoch und es sollte möglichst bald den göttlichen Segen haben.
In Bell angekommen versorgte die Mutter das Kind noch mal in einem Haus nahe der Kirche. Die lange Wegezeit könnte nochmals für Hunger oder eine frische Windel gesorgt haben. Nach dem Läuten gingen sie in die Kirche, die Hebamme mit dem Kind auf dem Arm. Die Hebamme reichte das Kind während der Zeremonie von links nach rechts weiter. Der jüngste Path bzw. die jüngste Goth hielt das Kind über das Taufbecken. Der Vater war hier nicht dabei, er musste in der Bank sitzenbleiben.
Abends kamen die Weiber des Vormittags wieder zu den geladenen Gästen und haben kräftig mitgefeiert. Nun ging es diesen auch wieder darum Geld für ein eigenes kleines Fest zu sammeln. Denn ihre Aufgabe morgens war wichtig und wollte auch gut belohnt werden. Um die Stimmung zu steigern, warfen die Paten Geldmünzen in die gefüllten Weingläser. Wer dran wollte musste erst leertrinken. Am Tage nach der Taufe wurden die Weiber nochmals zum Kaffeekränzchen eingeladen. Als besonderer Leckerbissen wurde noch Limburger Käse gereicht.