Schwere Jahre im und nach dem 2. Weltkrieg
Not macht erfinderich ...und wie war das mit der Bauernschläue?
Ein Erlebnisbericht aus jenen Tagen,
zusammengetragen von Kurt Knebel (*1924 +1994)
"In dieser Zeit mussten immer wieder landwirtschaftliche Erzeugnisse (Vieh, Getreide, Milch etc.) abgegeben werden. In den Kriegsjahren für die eigene Wehrmacht, in den Jahren danach für die Besatzungssoldaten. Ab und zu kam der Kontrolleur dies zu prüfen. Die schlauen Bauern versteckten z.B. Kartoffeln im Heu. Andrese hatten vor einer Tür einen Schrank gebaut und Kleider reingehängt. Dahinter verbargen sie Kartoffeln, Wurst und Gemüse. Öfters gab es falschen Alarm wegen dem Kontrolleur, dennoch wollte man kein Risiko eingehen.
Jeder Bauer gab immer ein Schwein weniger an als er hatte. Dieses wurde schwarz geschlachtet. Kam der Viehzähler ins Dorf, so begann er seine Arbeit zuerst beim Vorsteher. Während er zu Essen und Schnaps bekam, ging einer durchs Dorf um die Bauern zu warnen, um die überzählige Sau zu verstecken.
Weil keine Schussapparate vorhanden waren, wurde die Sau mit dem Axt- oder Hammerschlag betäubt und dann gestochen. Während dem Schlachten wurde Heusamen aufgekocht, weil dieser Duft den Schlachtgeruch überdeckte. Die schwarz geschlachteten Wurstdosen wurden in Keller und Speicher versteckt. Besondere Regale unter Tischen wurden extra angefertigt, um Dosen dahinter zu verstecken. Louxe Peter war Metzger und ging von Haus zu Haus um dort zu schlachten.
Schnaps wurde in großen Mengen aus Zuckerrüben und Korn gebrannt, aus Apfelwein wurde Obstler. An Schmidte stank es wie in einer Marmeladefabrik. Obwohl keiner eine Genehmigung hatte, wurde niemand erwischt. 1945 gab es viele Kirschen, die zum großen Teil zu Schnaps gebrannt wurden. Jereschperersch Peter war Blechschlosser und hat bestimmte Rohrteile für die Brennanlage gefertigt. Als Behälter wurde ein gewöhnlicher Waschkessel genutzt. Die gesamte Anlage war Marke Eigenbau.
Aus Raps wurde auch Öl für den nicht genehmigten Eigenbedarf gepresst. Jedes Haus besaß eine eigene Ölpresse. Gesammelte Bucheckern wurden an der Sammelstelle Bohnperesch abgegeben, dafür gab es Öl oder Marken zum Tausch gegen Margarine.
Die meisten Bauern hatten auch ein oder zwei Schafe. Die Wolle wurde gesponnen und gestrickt. Weiße Westen gab es für sonntags mit Noppen und Blümchen. Erna Gumm hat auch für auswärtige Leute gestrickt und hat sich damit was dazu verdient.
Zuckersäcke wurden aufgezogen und Pullis davon gestrickt. Es war ein rauer Faden, die Pullis waren sehr kratzig. Aus Flachs wurden Kleider genäht und gestrickt. Mit Blyle, ein sehr feiner Faden, wurden Matrosenanzüge für Jungen hergestellt. Die Bettdecken wurden aufgezogen und Gardinen davon gestrickt.
Bohnperesch Scheune wurde durch einen Luftkampf zwischen deutschen und amerikanischen Maschinen versehentlich getroffen und brannte ab.
Als die deutschen Soldaten aus Frankreich zurückkamen, blieb bei der Einquartierung einiges an Munition zurück. Damit experimentierte die Jugend mit herum. Zünder ab, Pulver raus und damit Feuerwerk veranstaltet.
Irgendwann fiel auch irgendjemandem eine Maschinenpistole in die Hände. Zwar war der Abzug defekt, jedoch konnte man mit Geschick Einzelschüsse abgeben. Versteckt wurde sie im Wald nahe der Neuen Mühle. Beim Rumprobieren hätte sich Hans Lahm beinahe selbst getroffen. Der gewünschte Schuss wollte nicht losgehen, sodass er die MP auf den Boden stieß und sich der Schuss von selbst aus löste.
Beim Schiessen mit Zündhütchen wurde Jereschperersch Arnold in die Wade getroffen. Nach Hause wollte er nicht, sodass einer das Hütchen mit dem Taschenmesser raus operierte.
Sprengzündschnüre wurden um kleine Bäume gewickelt und angezündet. Die Sprengkraft reichte aus um den kleinen Baum zu fällen.
Bei Tieffliegeralarm flüchteten die Bewohner in ihre Keller. Albert Franz hatte einen Unterstand gebaut und Stollen gegraben. Unterschlupf wurde auch in den Schieferstollen gesucht (z.B. Schnäiresch Leiebruch).
In den letzten Kriegsmonaten sollten und wurden auch die Jahrgänge 1927-28 zum Wehrdienst eingezogen. Peresch Willi traf sich mit anderen auf dem Beller Marktplatz zu Übungen, um danach über dem Rhein zum Einsatz zu kommen. Er und andere flüchteten und versteckten sich zu Haus oder im Wald bis die Amerikaner durch waren.
Von Mastershausen kamen amerikanische Panzer und „eroberten“ unser Dorf, trotz Panzersperren, die von Wohnrothern (Volkssturm) oben und unten im Dorf aufgestellt wurden. Alle fremden Helfer im Dorf, französische Kriegsgefangene und Mädchen aus Russland verschwanden sofort als die Amerikaner ins Dorf kamen. Die Besatzer legten fest, dass abends zur bestimmten Zeit Zapfenstreich war. Wer später angetroffen wurde, den führte man ab.
Hamsterer kamen aus den Städten und tauschten z.B. Teppiche gegen Kartoffeln und Speck. Auf dem Rückweg, im Grenzbereich von Remagen, wurde vielen Hamsterern von den Besatzungssoldaten die Lebensmittel abgenommen und beschlagnahmt.
Der Handel Ware gegen Ware gehörte mangels Geld zum Alltag. Tauschfahrten zu Rhein und Mosel fanden regelmäßig statt. Speck gegen Schuhe, Kartoffeln gegen Zucker. Heddi tauschte einmal Brikett gegen Friseurtermin. Auf einer Tauschfahrt saßen Maria Franz, Heddi Knebel und eine Else auf dem Kohlwagen von Ingelheim bis Boppard.
Zur Versorgung der Bevölkerung wurden Lebensmittel-, Kleider- und Raucherkarten ausgegeben. Die Marken wurden von den Bewohnern an Philippse gegen die Waren eingetauscht. Diese klebten die Marken mit „Mehlbapp" auf Karten, um sie auf dem Amt wieder gegen Waren einzutauschen. Dies ging solange bis zur Währungsreform, die mit der Auszahlung an einem Sonntag sich ankündigte. Mitarbeiter der Bank zahlten jedem Bürger DM 40,- aus. Das Ersparte wurde abgewertet."