Der Stierstall
Auch das war Selbstversorgung
In jeder bäuerlichen Gemeinde war die Haltung eines Zuchtbullen unerlässlich. Die Betreuung des Gemeindestieres übernahm der Stierpfleger, der das Tier im eigenen Stall hielt und versorgte. Den Zuschlag für diese Tätigkeit erhielt jener Bewerber, der am wenigsten dafür haben wollte.
Um 1900 kam der Plan für einen eigenen Stierstall auf. Im Unterdorf, zwischen Vorewernersch und Philippse auf dem jetzigen Weg, stand damals das Haus Kiherts mit Stallgebäude (Name steht für einen ehemaligen Bewohner, ein Kuhhirte). Dieses stand zur Versteigerung an. Konrad Hees, der Großvater von E.W.Michel, sollte es im Auftrag der Gemeinde erwerben. Er bekam auch den Zuschlag, sagte dann aber: „Äich honn for mäich geboot“. Die Gemeinde hatte das Nachsehen. Nun musste ein anderer Platz her, der sich auch bald fand. Ein Jahr später beginnt der Bau an bekannter Stelle. Der Maurermeister Käfer aus Buch bekam für 3000 Mark den Zuschlag.
Nun war die Tätigkeit als Stierpfleger mit viel Arbeit verbunden, das Tier stand im seinem eigenen Stall und konnte nicht mal so eben mitversorgt werden. Der Hof vor dem Stall hatte eine Mauer mit Tor, welches beim Decken verschlossen wurde. Neugierige Kinder durften nicht zuschauen. Die Erwachsenen wollten nicht in Erklärungsnot kommen. Die Kuh sollte möglichst zur Futterzeit gebracht werden. Nicht immer klappte es mit der Besamung, was zu viel Frust führte. Es geht eben nicht alles auf Kommando.
Der Stier bekam nur Heu und Hafer als Kraftfutter. In gemeindeeigenen Wiesen wurde das Heu von allen Landwirten gemeinsam eingebracht, sobald die eigene Ernte vorbei war. 10 kg Hafer war für jede Kuh, die zum Stier gebracht wurde, zu liefern.
Auf 100-120 Kühe wurde zum Decken ein Stier gerechnet. Hier bei uns waren es meist mehr, so wurde zeitweise ein zweiter Stier gehalten. Wurde er zu schwer, stand der Verkauf an, ein neuer musste her. Ein Abordnung aus Stierpfleger, Bürgermeister und welche aus dem Gemeinderat fuhren nach Koblenz zu einer Auktion. Es galt ein gutes Tier zu einem angemessenen Preis zu ersteigern. Dies war nicht immer einfach, waren doch die Geldmittel einer armen Gemeinde eingeschränkt.
In jedem Jahr waren die Stiere zum Körtermin (Zucht-Tauglichkeitsprüfung) nach Kastellaun oder zum Beller Marktplatz zu bringen. Bestand der Stier die Prüfung, durfte er weitermachen. Wenn nicht, wurde er ausgekört, er kam zum Metzger.
1963 hängte sich der Stier an seiner eigenen Kette auf und musste notgeschlachtet werden.
Letzter Stierpfleger war Willi Michel (Bouersch). 1965 ging es damit zu Ende, die künstliche Befruchtung wurde eingeführt. Der Tierarzt, im Volksmund Rucksackmolles genannt, kam nun in die Dörfer.
Der Stall diente in den Folgejahren noch als Abstellraum der Gemeinde. 1975 wurde er an Inge Wedertz verkauft. Heute ist er von Dirk Bogedan zu einem schmucken Wohnhaus umgebaut.
Anmerkung zu dem Hauskauf von Kihertz: 1905 riss Konrad Hees das Haus ab und errichtete einen Garten. Ob dies von Anfang an sein Plan war oder das Anwesen zu heruntergekommen, ist nicht bekannt. 1954 kam es bei der Umlegung zu dem heutigen Stand.