Gasthaus Zur Post Leonhard-Petry
Ein Dreh- und Angelpunkt im dörflichen Leben
Die Erinnerungen an den Anfang der Gaststätte Leonhard ist weitgehend verblasst. Der Hausname Louxe weisst auf den Nachnamen Laux hin. In der Dorfentwicklung finden sich dazu zwei Daten: 1821 Adam Laux baut eine Scheune, 1829 Friedrich Laux (*1788 +1862) ein Haus. Der letztgenannte findet sich im Stammbaum der Familie Leonhard wieder. Für das Jahr 1897 liegt noch die Konzession zur Schankerlaubnis vor. In der Dorfchronik ist für das Jahr 1899 vermerkt: „In der Gaststätte Leonhard wird das scheidende Jahrhundert mit einer "erhebenden Feier" der Gemeinde verabschiedet“.
Gastwirt zu dieser Zeit war Peter I. Leonhard (*1858 +1918). 1908 errichtet er sein neues Haus, das letzte in Fachwerkbauweise in unserem Dorf. Es ist zum großen Teil in seiner damaligen Bauweise erhalten. Insbesondere die Straßenfront zeigt noch sein eindrucksvolles Fachwerk, welches von Anfang an unverputzt blieb. Dies war in den Jahrhunderten davor kaum üblich. Fachwerk wurde damals üblicherweise mit Schiefer oder Putz vor Witterung geschützt. Auf dem Fassadengiebel ist eine Wetterfahne mit seinen Initialen „P.L.“ aufgesetzt. Auffällig am Giebel des Hauses ist das Motiv eines weißen (ursprünglich naturbelassenen) Adlers in der Schieferfassade. Hierzu gibt es zwei Deutungen: Zu dieser kaiserlich patriotischen Zeit könnte dies dem Adler des Staatswappens nachempfunden sein. Aber auch die Kaiserliche Post führte schon damals den Adler in seinem Wappen. Die letztere Vermutung könnte aufgrund der eigenen Poststelle wahrscheinlicher sein. Gleichzeitig bewirtschaftete Peter Leonhard auch seine Landwirtschaft.
Ein wichtiger Termin im Jahresablauf war unsere Kirmes, die er mit Sohn Peter II. (*1888 +1964) und Familie veranstaltet hat. Hierzu gibt es weitere Information unter Dorfkirmes zu lesen. Auch der Beller Markt an einem Mittwoch im Juli gehörte zu den besonderen Terminen, an dem sie sich mit einem Bierzelt beteiligten. Ein Besuch in diesem Zelt gehörte zur „Pflicht“ für die Wohnrother.
1950 ging die Gaststätte mit Sohn Wilhelm (*1920 +1989) nun in die mindestens dritte Generation. Als Nachfolger der letzten Kirmes 1957 können wir das Schlachtfest ab 1960 bezeichnen. Aus der eigenen Landwirtschaft kamen einige Schweine und Rindvieh auf die Schlachtbank und versorgten an einem Herbstwochenende die Gäste aus Nah und Fern. Haxen, Schlachtplatten und verschiedenste Schnitzel verwöhnten die Gaumen. In dieser Zeit kamen die ersten Sommerfrischler in unser Dorf, die Gaststätte war nun Dreh- und Angelpunkt für die Urlauber. Näheres dazu ist hier zu lesen. Auch eine Vielzahl von Ansichtskarten zeugen aus dieser Zeit.
Lange Zeit stand im Wirtshaus der einzige Fernseher des Dorfes. Unter anderem lockte samstags abends die EWG-Show von Kulenkampff viele vor den DIN A3 großen SW-Bildschirm in der oberen Ecke. Sonntags morgens, meist im feinen Zwirn, traf man sich zum sehr beliebten Frühschoppen. Skat oder Doppelkopf war angesagt, Contra und Re-Rufe schalten über die Tische. An etwas ruhigeren Tischen wurden Neuigkeiten ausgetauscht, Sprüche geklopft und auch Politik gemacht. Sonntags nachmittags saßen wir Kinder bei einer Sinalco und Salzstangen und fieberten bei den Abenteuern von Fury, Lassy, RinTinTin oder den Höhlenkindern.
Die Gaststätte war Treffpunkt für jedermann, zu fast jeder Tageszeit fanden sich Gäste ein. Meist war jemand zum Feierabendbier anzutreffen, auch mal in Miststiefeln nach der Versorgung des lieben Viehs. Mit einer besonderen Erinnerung sind die Fahrverbote im Herbst 1973 verbunden. An vier aufeinanderfolgenden Sonntagen wurde die Gaststätte regelrecht gestürmt. Die Gäste saßen sogar vor der Tür und die Treppen hoch, den Schnitzelteller auf dem Schoß. Auch das Schlachtfest hatte seine Zeit. Nun hing ab 1972 ein Sparkästchen im Gastraum. Der Ansturm auf die Sparschlitze war irgendwann so groß, dass nicht jeder mehr aufgenommen werden konnte. Grund dafür war der jährliche Kassensturz und die sehr beliebte Feier mit Verlosung. Der Wirtsraum konnte die Gäste nicht mehr alle aufnehmen. 1974 wurde die Poststelle aufgelöst, es blieb uns nur der Briefkasten.
1983 übernahm Tochter Marita mit Ehemann Lothar die Gaststätte. Mit ihren Kochkünsten verwöhnte sie ihre Gäste, besonders beliebt waren ihre Schnitzel- und Pizzavariationen. Für die Ausrichtung von Familienfeiern, wie Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen oder runde Geburtstage hatte sich die Gastfamilie von jeher einen guten Namen gemacht. Termine waren nicht immer einfach zu bekommen.
1997 war das 100-jährige Jubiläum geplant. Ein Schicksalsschlag in der Familie stellte nun alles in Frage. Die letzte Teilnahme am Beller Markt im Jahre 1998 beendete nun auch diese lange Tradition. Mit dem Jahresausklang von 1899 ist die erste Silvesterfeier bekannt. Nach 110 Jahren endete im Jahre 2009 nun auch diese letzten Feierlichkeiten. Die Dorfgaststätte hatte, wie so viele anderen in unserer Region, seinen Stellenwert als Treffpunkt der Bewohner verloren. Die Besonderheiten der bäuerlichen Strukturen und deren gemeinsamen Interessen gab es nicht mehr. Im Juni 2011 schließen sich die Türen unserer Gasstätte. Ein Grund sind auch die gesundheitlichen Sorgen um Lothar Petry (*1952 +2018).
Als besondere Veranstaltung wurde zur Fußball-WM 2014 der Bierhahn zum Endspiel noch einmal runtergedreht...
Heute hat Sohn Mike in den ehemaligen Gasträumen einen Unternehmen für IT-Technik eingerichet.