Anno 1970 - 1980
Wege in eine gemeinsame Zeit
1970 Starker Sturm am 8. Januar türmt den zuvor gefallenen Schnee zu meterhohen Verwehungen auf. Der Verkehr bricht zusammen. Der Hunsrück wird zum Notstandsgebiet erklärt. Die Bundeswehr erhält Katastrophenalarm. Auf freier Strecke blieben Autos stecken und wurden zugeweht. Die Insassen wurden, nach ihrer Misere befreit, mit Unterkühlung ins Krankenhaus gebracht. Schneepflüge blieben stecken, Panzer mit Räumschilden wurden eingesetzt. Erst am 10. gegen Abend war die Straße nach Bell frei gefräst.
1970 Im Sommer wird in Zusammenarbeit von Lehrer Schlaupitz, Förster Breuer und den Schülern ein Waldlehrpfad auf unserer, sowie Bucher Seite eingerichtet. Immer am Bach entlang bis zum Uhlichkopp wiesen Schilder an den Bäumen Fauna und Flora. Drei Wochen später war die Hälfte der Schilder abgerissen und verschwunden. Jugendliche aus Buch wurden als Täter ermittelt.
1970 Im September legt die Gemeinde die Erschließung des Baugebietes "Auf'm Kreuzchen" fest.
1970 Für den Fremdenverkehr war ein besonderes Jahr. Das Gasthaus zur Post hatte 7, und 3 Pensionen insgesamt 15 Betten. Es gab 132 Fremdenmeldungen mit insgesamt 1980 Übernachtungen.
1970 Im Dezember kommt zum ersten Mal der Molkereitankwagen, holt die Vollmilch und bringt Magermilch, die überwiegend verfüttert wurde.
Immer mehr Landwirte suchen sich eine Arbeitstelle. Das Interesse bei Landverpachtungen sinkt nun stetig.
1971 Ende Januar lief im Oberdorf kein Wasser mehr. Die Ursache war schnell geklärt. Die Kupferkabel der Freileitung vom Hochbehälter zur Pumpstation waren gestohlen. Ein Notstromaggregat sorgt in den ersten Tagen für Strom und Wasser. Ein Bagger hebt den Graben aus, das neue unterirdische Kabel wird selbst verlegt. Samstag und Sonntag werden durchgearbeitet. Aus Angst vor neuem Diebstahl wird für eine Nacht Wache geschoben. Die Ermittlungen zum Diebstahl haben nichts erbracht.
1971 Im Juni verenden auf der Weide von Hermann Jacobs 3 Bullen. Sie wurden wahrscheinlich mit Pflanzenschutzmittel vergiftet.
1971 Im Juli wird die Volksschule Wohnroth aufgelöst, alle Kinder gehen nun nach Kastellaun zur Schule.
1971 Eine starke Feldmäuseplage macht uns zu schaffen. Beim Pflügen gehen die Kinder hinterher und schlagen die Mäuse mit Stöcken tot. Auf 20 Ar Kleeacker erwischt ein Junge 200 Mäuse und 2 Ratten. In der Kanalisation ist eine Rattenbekämpfung notwendig.
1971 Im November gab es mit der Aussiedlung Prinz nur noch einen Vollerwerbsbetrieb, 17 Arbeiter mit landwirtschftlichem Nebenerwerb.
1971 Um die Müllprobleme in den Griff zu bekommen, soll es in Zukunft nur noch 4 Mülldeponien geben. Die Müllkippen auf den Dörfern sollen verschwinden.
1972 In diesen Jahren kommen verstärkt Antiquitätenhändler, bevorzugt aus Belgien, in unsere Orte und kaufen alte Sachen aus Großmutters Zeiten, Kommoden, Schränke, Spinnräder uvm. Erst viele Jahre später, meist die Folgegeneration, hatten wir es bedauert solche Schätze wegegeben zu haben.
1972 Am 8. Janur gibt es schon wieder Probleme mit der Wasserversorung. Die Pumpe in der Tiefbohrung ist defekt. Zwar ist die alte Versorgung noch in Takt, jedoch reicht dies nicht. Das Tanklöschfahrzeug aus Kastellaun versorgt uns aus Krastel mit 10 Touren a 2,5cbm. Eine Woche später folgt die gleiche Menge nochmal.
1972 Das Mitteilungsblatt erscheint am 1. Mai zum ersten Male in der Verbandsgemeinde Kastellaun.
1972 Die Gemeinden der zukünftigen Ortsgemeinde Bell beschließen einen gemeinsamen Kindergarten. Vorerst geplanter Standort ist hinter dem Pfarrhaus in Bell.
1972 Am 30. Oktober stimmt unser Gemeindrat nach langen vorrausgegangenen Besprechungen dem Zusammenschluß mit den anderen Dörfern zur Ortsgemeinde Bell zu.
1973 Nach einem milden Winter mit früher Feldbestellung folgt ein sehr trockener Sommer mit über 30°. Der Mastershausener und der Leidenecker Bach trocknen aus. Das Vieh wird vorzeitig von den Weiden geholt.
1973 Ende April beginnt der Ausbau der Dorfstraße, vier Nebenwege, wie zum Känel oder oberhalb vom Gemeindehaus, werden ca. 50m lang mit gebaut.
1973 Der Krieg in Nahost bringt uns hohe Preise für Benzin und Heizöl. Letzteres springt von 15-18 auf 55 Pfenning. Die Folge sind Sonntagsfahrverbote für die letzten 2 Sonntage im November und die ersten 2 im Dezember. Wir können uns noch gut an einen sonnigen Tag erinnern, unser Gasthaus hätte mindestens doppelt soviele Gäste bewirten können.
1973 Die Müllkippen in den Dörfern werden geschlossen. Nur für Bauschutt und Erdaushub bleibt in Bell eine Deponie offen.
1974 Die Schlachtpreise für Schweine sinken bis zum Frühjahr um 30 Pfenning je kg Lebendgewicht. Die Ferkelpreise steigen dagegen stark an. Damit liegen die Schweinepreise auf dem Stand von 1950, der Getreidepreis auf dem von 1954.
1974 Am 17. März ist die Ortsgemeinde offiziell. Bürgermeister wird am 10. April Karl Marx aus Krastel, 1. Beigeordneter Wilhelm Boos aus Bell und 2. Beigeordneter Kurt Knebel aus Wohnroth.
1974 Der Fremdenverkehr lässt nach, mit Malle und Co. können wir nicht mehr konkurieren.
1974 Die Amtsfeuerwehr wird mit erforderlichen Fahrzeugen und Gerätschaften ausgestattet und übernimmt für die Verbandsgemeinde die Brandbekämpfung. In Kastellaun wird ein Feuerwehrhaus gebaut.
1974 Nach 35 Jahren geht Erna Gumm als Erzieherin im Erntekindergarten in den wohlverdienten Ruhestand.
1975 Im Frühjahr beginnt wieder der Kindergarten. Drei Frauen wechseln sich mit der Betreuung ab.
1975 Am 15. Juni hält Pfarrer Hermann Sänger seine Abschiedspredigt. Er übernimmt eine Pfarrei in Bonn.
1975 Der alte Stierstall wird an Inge Wedertz verkauft.
1975 Im September wird der Holzeinschlag fast komplett gestoppt, es gibt kaum Nachfrage.
1975 Die Mengen der Milcherzeugung steigen stetig. Für Milch unter 10° gekühlt zahlt die Molkerei 4 Pfenning je Liter mehr. Drei elektrische Kühlanlagen kommen nun ins Dorf. Der Milchpreis ab Hof liegt bei 59 Pfenning. Landwirte zur heutigen Zeit blicken neidisch darauf zurück.
1976 Der Januar beginnt mild, endet aber mit Kälte bis -20°.
1976 Am 22. Februar wird Karl-August Dahl in unserer Kirchengemeinde zum Pfarrer gewählt und am 30. Mai mit einem festlichen Gottesdienst in sein Amt eingeführt. Leideneck, bisher zu Kappel gehörend, kommt zu Bell.
1976 Im Februar beginnt der Bau des Bellers Kindergartens.
1976 Der Regen lässt im Frühjahr auf sich warten. Das Heu bringt kaum 2/3 der üblichen Ernte. Fünf Wochen regnet es nicht, an 15 Tagen liegen die Temperaturen zwischen 30 und 35°. Die Wiesen werden braun, das Getreide notreif. Es herrscht Futtermangel, Vieh ist kaum zu verkaufen. Am 13. Juli erklärt der Kreis den Notstand für die Landwirtschaft.
1976 Am 17. und 18. Juli feiert unser Dorf ein großes Heimat- und Sängerfest. Auch alle ehemaligen Wohnrother waren herzlich eingeladen. Am Samstag zählten wir 1000 Besucher. Eingeladene Gesangsvereine (11 am Samstag, 8 am Sonntag) zeigten ihr Können. Ein Festgottesdienst und der Frühschoppen gehörten selbstverständlich hinzu. Für das leibliche Wohl, wie man zu sagen pflegt, war bestens gesorgt.
1976 Das Jahr bleibt weiterhin trocken, die Getreideernte bringt nur 1/3 eines normalen Jahres. Neuanforstungen verdorren zu 80%.
1977 Anfang Januar nimmt der neue Kindergarten in Bell seinen Betrieb auf. Am 8. Juni wird er offiziell eingeweiht.
1977 Drei weitere Wohnrother Bauern geben ihre Rindviehhaltung auf. Vielleicht war auch der Grund der wiederholte Versuch einer staatlichen Drosselung der Milchproduktion. Wer 5 Jahre keine Milch liefert, erhält für jeden in 1976 gelieferten Liter eine Prämie von 56 Pfenning.
1977 Im Oktober sind alle Plätze "Auf'm Kreuzchen" bebaut, unsere Gemeinde beschließt ein neues Baugebiet "Auf der Hillerswies". Durch Kauf und Tausch kommt es zu dem notwendigen Besitz.
1977 Ende April kommt es zur ersten Planung des Abwasserprojekts Bell. Die Abwässer von Bell, Völkenroth, Krastel, Leideneck, sowie unsere sollen im Wohnrother Tal zusammengefasst werden. Wir befürchteten jedoch wegen der Nähe zum Dorf Geruchsbelästigungen und eine Verschandelung des Tales. Proteste, sowie eine Ortsbesichtigung auf der Suche nach einem anderen Platz waren erfolglos. Unser Gemeinderat stimmte schließlich zu.
1978 Ein erster Schrecken Anfang Januar. Elfriede Marx setzt im Alter von 56 Jahren ihrem Leben durch Erhängen ein Ende. Ihre behinderte Schwester Erna kommt in ein Pflegeheim nach Kastellaun.
1978 Die beiden Vereine aus Krastel und Wohnroth schließen sich zur Sängervereinigung zusammen.
1978 Anfang Februar fällt viel Schnee, die Schneepflüge kommen kaum nach. Im Mai machen andauernde Regenfälle zu schaffen. Traktoren sind kaum einsetzbar, Handarbeit ist gefordert. Die Heuernte ist total veregnet und zieht sich über Wochen hinaus, die Quaität ist miserabel.
1978 Im Oktober und November werden in der alten Steinkaul eine Grill- und Schutzhütte gebaut. Die Kosten betragen DM 4.250, ein Zuschuss kam von DM 1460.
1978 Zur Treibjagd im November wurden nur 4 Hasen zur Strecke gebracht. Horrido... und keine fette Beute!
1978 Ende November, Anfang Dezember wird es sehr kalt. Am 8. Dezember morgens beginnt es zu regnen, es bildete sich Glatteis bis 1cm Dicke. Der gesamte Verkehr stand still. Erst am Nachmittag kommen die Kinder mit dem Bus aus der Schule zurück. Die Bundeswehr hatte sie mit Suppe versorgt.
1978 Am 31. Dezember fällt das Thermometer innerhalb von 12 Stunden um 12°. Starker Schneefall setzte ein.
1979 Der Januar ist stürmisch mit Schneeverwehungen bis -18°. Streusalz bleibt ohne Wirkung, weil zu kalt. In der Hä muss eine Schneefräse eingesetzt werden. Am 12. Januar ging ein schwerer Schaufellader dem Schnee zu Leibe. Der 20. bringt Regen mit Glatteis, die Schulen schließen früher. Zwei Tage später wieder Glatteis, am 27. wieder Schneefall, Streusalz wird knapp. Nun wird Split gestreut, Schnee liegt bis 25cm. Zwei weitere Glätttage folgen im Februar.
1979 Das Frühjahr bleibt nass und kalt, erst ab dem halben Mai wird es wärmer. Ab dem 27. August ist schönstes Erntewetter. Die Annahmestellen für Getreide in Bell und Kastellaun sind überlastet, nachts wird durchgearbeitet. Bis zu 75 Wagen voll Getreide warten zeitweise auf die Abfertigung. Wartezeiten bis zu 10 Stunden strapazieren die Nerven, jedoch sorgten die Beller Gasthäuser für die notwendige Kurzweil.
1979 Im Oktober richten Manöver der amerikanischen Streitkräfte große Flurschäden an. Entschädigungen mussten zum Teil mit harten Verhandlungen durchgesetzt werden. In 12 Monaten gab es in Hunsrück 90 Manöver der Natostreitkräfte.
1979 Die Gemeinde Bell erhält ein eigenes Wappen. Das Schachbrett in Rot/Silber weist auf die ehemalige Zugehörigkeit zur Hinteren Grafschaft Spohnheim hin. Der Baum mit seinen Ästen deutet die Zusammengehörigkeit der sechs Gemeinden.
1979 Unser Bürgermeister Karl Marx erhält das Bundesverdienstkreuz vom Landrat Reinhard überreicht.